neues Feature in 1.5 Fußnoten

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Anke
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Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von Anke »

Hallo Manutius

ich habe deinen Beitrag sehr aufmerksam gelesen. Es ist schön, dass sich hier so viele Mitglieder "vom Fach" treffen. Nun möchte ich dazu natürlich auch meine laienhafte Meinung äußern. Du hast geschrieben:
... Das Problem ist doch: Eine professionelle, über die Möglichkeiten von Office-Textverarbeitungen hinausgehende Fußnotenfunktion muss sehr komplexe Anforderungen erfüllen. Es genügt nicht, Text irgendwie nach unten zu stellen. Ich nenne nur eine: Korrekter Fußnotensatz erfordert, dass eine Fußnote, die üblicherweise in kleinerem Schriftgrad als die Grundschrift gesetzt wird, an der Unterkante des Satzspiegels an der untersten Schriftlinie ausgerichtet wird - nicht nach der Unterlänge. Soweit ich sehe, bietet Scribus 1.5 diese Möglichkeit nicht, und Office-Programme machen es natürlich auch nicht - die kennen gar keine Schriftlinien und füllen die Seite bis zur Unterlänge. LaTeX macht es selbstverständlich automatisch korrekt. ....
Mir ist schon bewusst, dass es nicht einfach ist, mal eben eine Fußnote für Quellnachweise etc. zu programmieren und ich habe großen Respekt vor allen Programmierern die das können. Aber ich bin nicht der Meinung, dass man die Implementierung von Fußnoten für Quellnachweise vernachlässigen kann, weil LaTeX das ja schon kann. Im Gegenteil, ich denke es würde Scribus sehr aufwerten. Wie du bereits geschrieben hast, sind auch die Entwickler kommerzieller Satzprogramme schon seit einer Dekade der Meinung, dass diese Funktion sehr wichtig ist und haben sie in ihrer Software integriert.

Viele Grüße
Anke
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Manutius
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Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von Manutius »

Hallo Anke, vielen Dank für deine Rückmeldung. Ich möchte gleich klarstellen: Ich habe meine persönliche Einschätzung geäußert - aber selbstverständlich respektiere ich es, wenn andere Anwender anderer Meinung sind. Mir wäre es vor allem wichtig, dass verschiedene Anwenderinnen und Anwender in einen gleichberechtigten, sachlichen Dialog über Stärken und Schwächen eines interessanten freien Softwareprojekts treten - in der Hoffnung, dass das der weiteren Entwicklung Impulse gibt.

Das Thema war: In der Entwicklungsversion Scribus 1.5 ist eine Funktion für Fußnoten implementiert worden. Es gibt sie also - ich habe sie nicht genügend ausprobiert, um ihre Stabilität einschätzen zu können. Die Frage ist: Soll diese Funktion in die finale Version 1.6 übernommen werden oder nicht? Deine Meinung lautet: Ja. Meine ist neutral. Es besteht also kein Grund zum Streit. Mir persönlich wäre es bloß lieber, wenn andere Funktionen verbessert würden. Aber das ist natürlich ein Problem, das mit der Arbeitsteilung unter den Entwicklern zusammenhängt, die wir schlecht beeinflussen können.

Bei Adobe war es so: In der Produktpalette von Adobe gab es früher neben den Seitenlayoutprogrammen Pagemaker und dann InDesign auch das Programm Framemaker, das besonders für eher technische Mengensatz-Dokumente (Handbücher, Kataloge usw.) gemacht war und dementsprechend natürlich eine Funktion für Fußnoten hatte. Die Weiterentwicklung von Framemaker wurden dann eingestellt, dafür wurden Funktionen aus Framemaker in InDesign übernommen. Für QuarkXPress gab es in den 90er Jahren schon XTensions (teure Zusatzmodule von Drittanbietern) für Fußnotensatz, die waren aber auch nicht das Gelbe vom Ei. Wie gut oder schlecht der Fußnotensatz in diesen Programmen heute ist, kann ich nicht beurteilen, ich bin da nicht auf dem neuesten Stand. Außerdem gibt es für den automatisierten Umbruch komplexer Bücher mit QuarkXPress noch Kytek Autopage - das soll sehr gut sein, kostet aber (ebenso wie Arbortext) ein Vermögen - sicher nichts für uns Kleinproduzenten.

Wie ich schon sagte: Wirklich perfekte Funktionen für Fußnotensatz mit allen Finessen gibt es nur in Experten-Programmen, die fünfstellige Summen kosten und die keiner von uns sich kaufen wird. Im freien LaTeX ist die Fußnotenfunktion auch nicht hundertprozentig perfekt, aber sie leistet schon eine Menge. In rahmenorientierten Layoutprogrammen ist eine gute Fußnotenfunktion schwer zu implementieren. Ich persönlich bevorzuge für komplexe Werke LaTeX, aber solche Präferenzen hängen natürlich von individuellen Voraussetzungen ab.
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Julius
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Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von Julius »

Moin!
Dass Fußnoten so kompliziert sind, wusste ich noch gar nicht.
Mir persönlich würde es fürs erste reichen, wenn Scribus rudimentäre Fußnoten implementiert hätte (die zuverlässig funktionieren, natürlich): Bloß, weil ich ab und zu Fußnoten benötige, schmeisse ich nicht meinen ganzen Workflow in die Tonne und nutze LaTeX, momentan mache ich dann hält die eine oder andere Fußnote per Hand!
Wenn ich allerdings eine wissenschaftliche Arbeit schreiben würde und mir bereits vorher im Klaren darüber bin, dass ich hunderte Fußnoten anbringen muss und ein Quellenverzeichnis führen muss und die Möglichkeiten eines DTP-Programms nicht benötige, dann würde ich mich mit LaTeX und BibTex (das ist doch die Quellen Verwaltung, oder?) beschäftigen und es anwenden.

Gruß
Julius
Scribus 1.4.7 und 1.5.4 (Entwicklungszweig) unter Ubuntu 18.04
Um Mithilfe beim Deutsch-sprachigen Scribus-Wiki wird gebeten!

Die aktuellen Versionen von Scribus:
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Manutius
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Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von Manutius »

Dass Fußnoten so kompliziert sind, wusste ich noch gar nicht.
Fußnoten können ziemlich kompliziert sein, weil es viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt.

Eine Minimalanforderung an eine saubere Fußnotengestaltung wäre die, dass - bei kleinerem Schriftgrad - die unterste Schriftlinie des Fußnotenteils bündig zur untersten Schriftlinie des Grundtexts ist, so dass in dem Fall, dass nebeneinander eine Seite ohne Fußnoten und eine Seite mit Fußnoten stehen, beide Seiten auf der untersten Schriftlinie bündig abschließen. LaTeX macht das automatisch so. TeX setzt die Seite aus "Boxen" zusammen, die vertikal eine Höhe und eine Tiefe (für die Unterlänge) haben. Dadurch kann diese Anforderung auch bei Text ín unterschiedlichen Schriftgraden, also mit unterschiedlichen Unterlängen, leicht erfüllt werden, denn TeX kennt die Grundlinie der Boxen. In rahmenorientierten Layoutprogrammen ist diese Anforderung schwerer zu erfüllen. (Wenn man nur gelegentlich ein paar Fußnoten setzt, ist das nicht so schlimm, aber wenn man eine Fußnotenfunktion regelmäßig braucht, wäre das schon zu bedenken.)

Nun aber nur zum Verständnis der Problematik etwas Trickreiches. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte:
fussnoten.png
Das Beispiel, das ich hier zeige, ist keine Erfindung von mir, sondern ein Fußnotenlayout, das z.B. in Büchern des Suhrkamp-Verlags öfters vorkommt: Die Fußnoten sollen mit hängendem Einzug gesetzt werden. Am linken Rand steht die Fußnotennummer, gefolgt von einem Halbgeviertabstand. Von hier aus wird der Text hängend eingezogen. Wenn nun auf einer Seite n- und n+1-stellige Fußnoten stehen, müssen die n- und n+1-stelligen Nummern rechtsbündig untereinander stehen (d.h. vor den n-stelligen Nummern muss ein Halbgeviert freigeschlagen werden). Damit ein Programm das automatisch machen kann, muss es den Inhalt der ganzen Seite berechnen, es muss "wissen", welche Fußnoten auf der Seite stehen. Das geht am besten mit einer batchorientierten Arbeitsweise.

In LaTeX, das batchorientiert arbeitet, ist dafür keine Funktion vorgesehen, es wäre theoretisch aber programmierbar. Das wäre allerdings ausgesprochen schwierig, weil man die ganze Output-Routine so umprogrammieren müsste, dass das System, bevor es die Seite ausgibt, erst prüft, welche Fußnoten auf der Seite stehen, und dann für den Fall, dass es auf der Seite n- und n+1-stellige Fußnoten gibt, die Position der n-stelligen Fußnoten entsprechend anpasst.

Für solche Anforderungen gerüstet sind die sehr teuren Expertenprogramme für komplexen Werksatz, z.B. Arbortext, das in den 80er Jahren unter dem Namen 3B2 entstand - es hat in bahnbrechender Weise eine batchorientierte, kommando- und skriptgesteuerte Arbeitsweise mit Wysywyg-Darstellung verbunden. Solche Programme kaufen gewerbliche Anwender, die ständig Satzherstellung für Verlage machen und dafür effiziente, automatisierte Lösungen brauchen. (Auch wenn so ein Programm 10.000 Euro oder mehr kostet, ist das immer noch viel billiger als die Fotosatzsysteme in den 80er Jahren.)

Schon im Bleisatz unterschied man zwischen "Werksatz" und "Akzidenzsatz" oder "Layoutsatz". Werksatz ist der Satz von Mengentext mit regelmäßigen, teilweise sehr komplexen Strukturen. Layoutsatz ist das freie Gestalten von Seiten mit Text- und Bildelementen. DTP-Programme sind zunächst einmal Layoutsatzprogramme. Mit ihrer mausgesteuerten Arbeitsweise haben sie sich um 1990 für den Layoutsatz als die besseren Werkzeuge gegenüber den Fotosatzsystemen (die zwar schon Wysywyg-Darstellung und Ganzseitenumbruch hatten, aber durchgängig mit vielerlei Kommandos gesteuert werden mussten) erwiesen. Für den Werksatz hingegen waren sie wenig geeignet - hierfür sind batchorientierte, kommandogesteuerte Systeme im Vorteil, denen man den Text zusammen mit Anweisungen zu seiner strukturierten Verarbeitung übergibt. (In den 90er Jahren war Tabellensatz mit QuarkXPress eine äußerst mühselige Angelegenheit, mit Fotosatzsystemen ging das unvergleichlich viel besser.) Natürlich gibt es auch Publikationen, die beide Anforderungen verbinden, und nicht jeder kauft sich dafür Arbortext (wobei zu den Investitionskosten für Unternehmen dann ja auch Kosten für Personalschulungen gehören, während mit Layoutprogrammen jeder Mediengestalter arbeiten kann). Daher haben seit etwa 2000 die Layoutprogramme auch Werksatzfunktionen wie Tabellensatz, Fußnoten, Marginalien usw. und Funktionen für datenbankgestütztes Publizieren aufgenommen (vorher gab es so etwas schon in Gestalt von Zusatzmodulen, die eine Menge Geld kosteten).

Für gewerbliche Anwender, die gezielt in erster Linie komplexen Werksatz anbieten, haben batchorientierte, programmierbare Systeme nach wie vor erhebliche Vorteile. Im Bereich der freien Software ist LaTeX ein grandioses Werksatzsystem, das - wie ich schon sagte - zwar nicht alles kann, was Arbortext kann, aber doch schon enorm viel, wenn man die nötigen Programmierfähigkeiten mitbringt. Wenn man diese nicht hat, kann man dennoch eine Menge fertiger LaTeX-Pakete nutzen, die schon allerhand brauchbare Problemlösungen anbieten.

Ich meine, für Werke, die in erster Linie aus komplex strukturiertem Text bestehen - z.B. die akademischen Arbeiten, die Arran mit Blick auf seinen Sohn erwähnte - ist für unsereins nach wie vor LaTeX ein hervorragendes Werkzeug. Deswegen erwähnte ich meine Erinnerungen an die alte Diskussion, wo jemand sich für seine Diplomarbeit Pagemaker gekauft hat und dann bitter enttäuscht war - das was damals einfach das falsche Werkzeug, weil es dafür nicht gemacht war.

Damit will ich aber natürlich keine Dogmen verkünden. Typographie beinhaltet immer pragmatische Entscheidungen, wo Prioritäten gesetzt werden müssen. "Workflow" ist ein gutes Stichwort: Das ist immer eine komplexe Prozedur, wo man über geeignete Mittel zum Zweck disponieren muss. Wenn man ein Buch mit vielen Bildern und ein paar Fußnoten machen möchte, dann könnte in der Tat Scribus das bessere Werkzeug sein. Das muss man anhand der konkreten Aufgabenstellungen entscheiden.

Ich möchte mit meinen Überlegungen bloß versuchen, die Probleme zu vergegenwärtigen, die sich in der Entwicklung von Software in diesem Bereich stellen, und das Verständnis für die Technologien schärfen. Vielleicht gelingt dann ein Diskussionsprozess, in dem realistische Kriterien für eine Weiterentwicklung freier Software entwickelt werden können. (Von der unverschämten Geschäftspolitik der großen kommerziellen Anbieter, die ihre Kunden gnadenlos abzocken, habe ich in den letzten 20 Jahren genug mitbekommen.)
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Anke
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Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von Anke »

Hallo Manutius
ich habe gar nicht so hohe Ansprüche. Eine Fußzeile kann man recht einfach über Stile formatieren, sodass wie gewünscht nach der Zahl ein links- bzw. rechtsbündiger Tabulator folgt. Das hat man vielleicht bei einigen Büchern des von dir erwähnten Verlags wohl übersehen. Nur schon alleine die Funktion dass das unter dem Textrahmen ein weiterer Rahmen angelegt wird, in dem dann überhaupt eine Fußnote auch nummeriert wird. Ist schon ein großes Plus. In der 1.5.0 funktioniert das auch super. Es wäre schade, wenn diese Funktion aus irgendwelchen Gründen wieder verschwindet.

Gruß Anke
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a.l.e
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Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von a.l.e »

ich widerhole meine warnung: die fussnoten in 1.5.x funktionieren nicht korrekt!

sie sollten nich produktiv gebraucht werden.

leider.
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Manutius
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Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von Manutius »

Liebe Anke, obwohl ich mir große Mühe gebe, hast du leider nicht verstanden, worum es geht.

Wenn du sagst, dass du an einer einfachen Fußnotenfunktion interessiert bist, die nur das Nötigste leistet, um ein paar Fußnoten setzen zu können, ist das natürlich in Ordnung.

Die Frage, die dieser Diskussion zugrunde liegt, war aber: Soll bei der Weiterentwicklung von Scribus eine Priorität gesetzt werden auf eine Funktion, die in Layoutprogrammen generell schwer und nur mit begrenzter Leistungsfähigkeit zu implementieren ist und für die andere Software bessere Lösungen bietet? Oder sollten nicht besser andere Prioritäten gesetzt werden?

Um eine fundierte Meinungsbildung über diese Frage zu ermöglichen, habe ich versucht, ein bisschen Hintergrundwissen beizusteuern.

Ich habe versucht und versuche jetzt zum letzten Mal zu erklären, dass Textverarbeitungs-, Satz- und Layoutprogramme keine eierlegenden Wollmilchsäue sind, denen man irgendwelche Funktionen nach Belieben hinzufügen kann, sondern dass Programme auf Konzepten beruhen, zu denen verschiedene Funktionen mehr oder weniger gut passen.

Ich habe versucht zu erklären, was Werksatz und was Layoutsatz ist und wie sich DTP im Hinblick auf diese Aufgaben entwickelt hat. DTP-Programme sind zunächst enstanden als Werkzeuge für den Layoutsatz, die freie Kreativität ermöglichen sollen. Fußnoten, Marginalien, lebende Kolumnentitel usw. hingegen sind Werksatz-Funktionen, die vollumfänglich nur Programme mit einer anderen Arbeitsweise bieten können - es sind Elemente einer Dokumentstruktur, die das Programm verarbeiten müsste. In Layoutprogrammen sind solche Funktionen nicht so leicht unterzubringen.
Eine Fußzeile kann man recht einfach über Stile formatieren, sodass wie gewünscht nach der Zahl ein links- bzw. rechtsbündiger Tabulator folgt. Das hat man vielleicht bei einigen Büchern des von dir erwähnten Verlags wohl übersehen.
Niemand hat etwas "übersehen". In meinem Beispiel geht es darum, zu zeigen, was eine Fußnotenfunktion in High-end-Programmen leistet, so dass ohne irgendwelches Gefrickel mit Tabulatoren Textelemente des Typs "Fußnote" automatisch mit variablen Einzugstiefen und korrekter Ausrichtung der Nummern formatiert werden.

Aber ich muss in der Tat gar nicht auf so spezielle Probleme verweisen: Auch wenn man von solchen Sonderfällen absieht, müsste klar sein, dass in einem rahmenorientierten Layoutprogramm die Berechnung von Fußnoten eine sehr aufwändige Angelegenheit ist. Manche Anwender denken vielleicht: Word kann Fußnoten, warum kann Scribus das nicht? Das Problem ist: Word arbeitet mit Seiten, die fest im Dokument zugewiesene Maße haben. In Layoutprogrammen hingegen fließt der Text in Rahmen, die größtmögliche Flexibilität ermöglichen sollen: Man kann ihre Größe jederzeit durch Ziehen mit der Maus verändern. Wenn dann im Rahmen neben dem Haupttextfluss noch ein zweiter, untergeordneter Textfluss zu berechnen ist, dann wird das recht schwierig. Denken wir an folgenden Fall: Es gibt ja Leute, die gerne sehr lange Fußnoten schreiben. Wenn nun der Fall eintritt, dass der Fußnotentext nicht mehr auf die Seite passt, muss die Fußnote geteilt und die Fortsetzung auf die nächste Seite umgehoben werden. Textverarbeitungsprogramme, in denen das Textobjekt die Seite mit vorgegebenen Maßen ist, können das. In Layoutprogrammen, wo das Textobjekt ein beliebig veränderbarer Rahmen ist, ist eine solche Berechnung komplexer. Ich erinnere mich, dass früher die Teilung langer Fußnoten in Framemaker nicht funktionierte - für die Verfasser von Diplomarbeiten mit langen Fußnoten ein Problem. Auch in InDesign geht die Teilung von Fußnoten nicht ganz befriedigend.

Eine solche aufwändige Programmierung stabil hinzubekommen, nimmt eine Menge Entwicklungsressourcen in Anspruch - a.l.e weist nochmals darauf hin, dass die Fußnotenfunktion in Version 1.5 nicht produktiv zu gebrauchen ist. Nun zurück zur Ausgangsfrage: Es ging darum, dass noch unentschieden ist, ob in Scribus 1.6 eine Fußnotenfunktion aufgenommen wird oder nicht. Einige von euch äußerten den Wunsch, dass es auf jeden Fall eine Fußnotenfunktion geben soll. Ich gebe zu bedenken: Eine solche Entwicklung bindet Ressourcen, die meiner Ansicht nach besser für die viel dringlichere Verbesserung anderer Funktionen eingesetzt werden sollten. Im Bereich der vertikalen Raumverteilung hat Scribus beispielsweise eklatante Schwächen. In Version 1.5 gibt es endlich die Möglichkeit, Text im Rahmen auch vertikal mittig oder unten auszurichten, aber einen vertikalen Keil (mit dem QuarkXPress schon Anfang der 90er Jahre glänzte) gibt es nach wie vor nicht. Auch gibt es immer noch nicht die Möglichkeit, Abstände vor und nach Absätzen auch lokal zu ändern, und das erschwert oft die Arbeit ganz erheblich. Mir wäre es lieber, wenn diese relativ leicht lösbaren Probleme angegangen würden, statt die Weitentwicklung mit schwer implementierbaren Funktionen zu belasten. Ich plädiere stark dafür, die vorhandenen Funktionen so auszubauen, dass man vernünftig damit arbeiten kann, statt neue Funktionen aufzunehmen, die viel Entwicklungsaufwand verursachen und am Ende doch nur halbherzige Lösungen bieten.
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a.l.e
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Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von a.l.e »

hallo

ich habe die entwicklung der fussnoten in scribus ziemlich nah verfolgt und kann grundsätzlich bestätigen, dass brauchbare fussnoten können nicht einfach implementiert werden!

die arbeit die cezary geleistet hat, ist wirklich ausserordentlich! aber aus verschiedene gründe konnten die fussnoten nicht solid genug gebaut werden, vermutlich auch weil er zu viel aufs mal hinzufügen musste...

warum ist das ganz doch ziemlich verzwickt?

als laie DTP-ler und programmierer sehe ich zum teil andere gründe als manutius, aber der gesamteindruck deckt sich überein :-)

fussnoten sind bereits nicht einfach für einen word processor (ich brauche kein word mehr, aber bis vor etwa zehn jahre musste man bei eine wissenschaftliche arbeit von etwa 100 seiten mit mindestens eine falsche fussnote rechnen; open office galt damals als etwas besser, aber ich fürchte, dass es nur gerüchte waren!). und das in einen kontext wo fussnoten automatisch am ende der seite und in variable (vom programm bestimmt) grösse plaziert werden. massenverarbeitung also.

beim layouten möchten wir, die voll kontrolle über die seite behalten. das betrifft auch die fussnoten: wie, wo und wie gross sie dargestellt werden. zb. als side-notes im ausseren rahmen, oder unten aber nicht höher als 2 cm und so weiter.

einfach eine zahl hochstellen und ein text irgendwo hinstellen: das kriegen wir auch ohne echte fussnoten hin, oder?

eine randnotiz: in zwei punkte unterscheidet sich manutius und meiner meinung:

- die problemen haben wenig mit der variable seitengrösse zu tun (im word processing musst du auch die seitenunterbrüche und die fussnoten zuweisung voll dynamisch rechnen)

- strategisch gesehen, sind fussnoten nicht ganz unwichtig... weil sie eine voraussetzung für den einsatz von scribus bei wissenschaftliche werke sind. und es ist so, dass wir dringend neue programmierer brauchen und wenn naturwissenschaftler sich mit scribus beschäftigen, und ein paar von denen auch programmieren kann, dann macht vielleicht einer ab und zu einen patch... (von den usern aus der kunstzene freuen wir auch: sie können auch viel beitragen... aber code kommt selten -- aber nicht nie!)

peace and love to all of you
a.l.e
hohesC
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Registriert: Mi 20. Jan 2021, 17:44

Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von hohesC »

- strategisch gesehen, sind fussnoten nicht ganz unwichtig... weil sie eine voraussetzung für den einsatz von scribus bei wissenschaftliche werke sind. und es ist so, dass wir dringend neue programmierer brauchen und wenn naturwissenschaftler sich mit scribus beschäftigen, und ein paar von denen auch programmieren kann, dann macht vielleicht einer ab und zu einen patch... (von den usern aus der kunstzene freuen wir auch: sie können auch viel beitragen... aber code kommt selten -- aber nicht nie!)
Gibt es Neuigkeiten, was in Zukunft geplant ist, oder ob die Funktion rausfliegt?
vonmae
Beiträge: 112
Registriert: Mo 3. Jul 2017, 22:17

Re: neues Feature in 1.5 Fußnoten

Beitrag von vonmae »

Gelöscht von mae
Zuletzt geändert von vonmae am So 29. Okt 2023, 20:22, insgesamt 1-mal geändert.
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