Hurenkinder/Schusterjungen

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Manutius
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Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von Manutius »

Scribus 1.5 enthält eine Absatz-Funktion, die offenbar zur Vermeidung von Hurenkindern und Schusterjungen dienen soll. Ich habe sie ausprobiert, sie bewirkt bei mir aber nichts.

Was soll sie bezwecken? Wenn sie funktionieren würde, dann könnte sie nur das Umheben einer Zeile auf die nächste Seite/Spalte bewirken. Dann wäre aber meistens ein Höhenausgleich mit einem vertikalen Keil erforderlich, dieser existiert in Scribus nicht und ist auch in Version 1.5 nicht vorgesehen. Deshalb frage ich mich, was mit den Hurenkindern geschehen soll.

Zum sachgemäßen Umgang mit Hurenkindern stelle ich einen Beitrag in die Rubrik Tutorials.
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utnik
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Re: Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von utnik »

hallo manutius

bei mir (scribus 1.5.0 / macOS 10.11.1) bewirkt die einstellung bei der hurenkinder-/schusterjungenregelung genau das, was zu erwarten ist: die eingestellte mindest-zeilenzahl wird zusammengehalten.
dass dabei kein vertikaler keil zur verfügung steht, ist für mich nicht tragisch, da ich bisher noch nie eine situation hatte, bei der ich das auffüllen des satzspiegels der registerhaltigkeit vorgezogen hätte. (plakate und flyer zähle ich hier nicht mit, da bei diesen layouts die schusterjungenregelung völlig irrelevant ist, und manchmal sowieso lokal am durchschuss herumkorrigiert wird.)
mir geht es beim vermeiden von schusterjungen und hurenkindern sowieso eher um das zusammenhalten des inhaltes als un die reine grauflächengestaltung…

gruss
utnik
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Manutius
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Re: Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von Manutius »

Ich füge hier mal ein Bildschirmfoto mit meinem Testdokument ein, erstellt mit 1.5.1svn unter Linux: Die Funktion "Hurenkinder" bewirkt nichts, egal wie viele Zeilen ich zum Zusammenhalten einstelle.
151hurenkind.png
Die Option "Absatz zusammenhalten" hingegen funktioniert - sie hält den ganzen Absatz zusammen. Sie ist wichtig, um zum Beispiel mehrzeilige Zwischenüberschriften zusammenzuhalten (und "Mit nächstem Absatz zusammenhalten" bewirkt, dass eine Zwischenǘberschrift nicht unten vom folgenden Absatz abgetrennt wird). Das hat aber mit dem Problem der Hurenkinder nichts zu tun.

Für Hurenkinder gilt:

1. Im "glatten" Satz, d.h. in Werken, die nur oder fast nur aus Fließtext bestehen, ist Registerhaltigkeit die Norm. Unter dieser Voraussetzung ist typographisch sauberes Tilgen von Hurenkindern eine (bisweilen recht knifflige) Aufgabe, die kein gewöhnliches Layoutprogramm automatisieren kann. Ich habe die notwendigen Schritte in der Rubrik Tutorien/Anleitungen ausführlich beschrieben: Wenn keine Möglichkeit besteht, vertikalen Leerraum zu verteilen, dann muss man einen Absatz suchen, wo die horizontale Raumverteilung so verändert werden kann, dass eine Zeile ein- oder ausgebracht wird. Automatisiert werden kann das nur mit ausgesprochener High-end-Software (Arbortext 3B2, Kytec Autopage usw.), die ist allerdings in einer Preisklasse angesiedelt, die weit außerhalb deines und meines Budgets liegt, in normalen DTP-Programmen hingegen ist unvermeidlich Handarbeit erforderlich. Eine Funktion hingegen, die lediglich die zwei letzten Zeilen des Absatzes zusammenhält, hebt bloß eine Zeile auf die nächste Seite um - dann ist allerdings die Seite um eine Zeile zu kurz, was nicht dem professionellen Standard entspricht. (Das machen auch Office-Programme so, aber das ist eben kein ordentlicher Satz.) In registerhaltigem Satz ist also eine solche Funktion relativ unnütz, weil man für einen sauberen Umbruch immer manuell eingreifen muss.

2. Es gibt andererseits auch Werke (Bücher, Zeitungen, Zeitschriften), in denen Registerhaltigkeit nicht sinnvoll ist, sondern ein vertikaler Keil benötigt wird. In Verbindung mit einem vertikalen Keil ist eine Hurenkind-Funktion, die die beiden letzten Zeilen eines Absatzes zusammenhält, sinnvoll und eine große Arbeitserleichterung. Anfang der 90er Jahre war der vertikale Keil eine der Funktionen von QuarkXPress, die dazu beitrugen, dass Quark sich gegen Pagemaker (der das nicht hatte) durchgesetzt hat. Scribus hat ihn nicht, und das ist ein Manko, das beim Namen genannt werden muss.
utnik hat geschrieben:dass dabei kein vertikaler keil zur verfügung steht, ist für mich nicht tragisch, da ich bisher noch nie eine situation hatte, bei der ich das auffüllen des satzspiegels der registerhaltigkeit vorgezogen hätte. [...]
mir geht es beim vermeiden von schusterjungen und hurenkindern sowieso eher um das zusammenhalten des inhaltes als un die reine grauflächengestaltung…
Lieber utnik, ich habe keine Ahnung, was du so alles machst und will da auch nicht weiter nachfragen, und ich hoffe sehr, dich nicht zu kränken, wenn ich freimütig gestehe, dass mich die Frage, worum es dir geht und was du vorziehst, nicht sonderlich interessiert. Ich war in den letzten 20 Jahren mit Aufgaben von der Gestaltung von Tageszeitungsseiten bis zur Produktion von Büchern befasst (natürlich nicht mit Scribus) - das heißt: Ich kenne die Standards des grafischen Gewerbes, zu denen selbstverständlich gehört, dass Satzspiegel vertikal gefüllt werden. Ich weiß natürlich, dass man von einem Open-Source-Programm wie Scribus keine Wunder erwarten kann - ich sage immer, dass eine Handvoll ehrenamtlicher Programmierer nicht in Konkurrenz zu den großen Entwicklerteams von Konzernen wie Adobe oder Quark treten kann. Ich versuche bloß, ein Verständnis für die Minimalstandards zu wecken, die Scribus erfüllen müsste, um ernst genommen zu werden. Auf der Scribus-Webseite stand früher - vor dem Relaunch -, Scribus ermögliche die "professionelle Gestaltung" von Dokumenten. Inzwischen ist man mit der Eigenwerbung wohl etwas zurückhaltender geworden. Ich versuche, deutlich zu machen, welche Aufgaben in Bezug auf Raumverteilung - das ist das A und O - in der Typographie gelöst werden müssen. Im Hinblick auf die vertikale Raumverteilung hat Scribus leider erhebliche Defizite. Wenn ich gegenüber dem Gros der typischen Scribus-Anwender einen Vorsprung an Erfahrung habe, dann wünsche ich mir, dieses Wissen einbringen zu können, um Scribus konsistenter und praxistauglicher zu machen. Dabei möchte ich überhaupt keine utopischen Forderungen stellen, sondern ich versuche, zur Bildung eines Bewusstseins über die Grundlagen beizutragen, denen eine konzeptionell durchdachte Entwicklungsarbeit Rechnung tragen müsste.
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utnik
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Re: Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von utnik »

hallo manutius
Manutius hat geschrieben:Die Funktion "Hurenkinder" bewirkt nichts…
stimmt, nur die schusterjungenregelung und die beiden absatzregeln funktionieren, bei den hurenkindern scheint noch ein fehler drin zu sein – ist mir entgangen. (ich bin eigentlich immer noch hauptsächlich mit scribus 1.4.5 unterwegs…)
ich werde das genauer ansehen und allenfalls einen bug-report erstellen.

für höchste qualität mit gefüllten satzspiegeln wird man hier nie ohne handarbeit auskommen. aber auch diese wird deutlich vereinfacht, wenn die problemstellen durch automatisiertes vorverlegen des seitenumbruchs deutlich sichtbar gemacht werden.
…Ich war in den letzten 20 Jahren mit Aufgaben von der Gestaltung von Tageszeitungsseiten bis zur Produktion von Büchern befasst (natürlich nicht mit Scribus) - das heißt: Ich kenne die Standards des grafischen Gewerbes, zu denen selbstverständlich gehört, dass Satzspiegel vertikal gefüllt werden. Ich weiß natürlich, dass man von einem Open-Source-Programm wie Scribus keine Wunder erwarten kann…
deine erfahrung in ehren, aber es gibt durchaus buchverlage (im sachbuchbereich), die deine religion nicht teilen und auch mal einen satzspiegel ungefüllt lassen, wenn umschreiben nicht elegant genug möglich ist. (vertikales austreiben ist hier meist keine option – zum glück…)
ich nehme nicht an, dass open-source-programme der grund sind…

gruss
utnik
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Arran
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Re: Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von Arran »

Wir haben, sowohl in der Lehre wie auch später in der Buchsatz-Abteilung bei den Waisen und Huren jeweils einfach einen Absatz irgendwo passend auf der Seite eingefügt. Und das in ALLEN Büchern, egal ob sie aus dem Bereich der Klassiker oder ob es zeitaktuelle Bücher waren. Soweit ich mich erinnern kann, hat sich nie ein Autor beschwert, egal ob schon 400 Jahre tot oder noch lebend.
Der Korrektor hatte auch die Möglichkeit, eine Leerzeile einsetzen zu lassen, was allerdings nur sehr restriktiv verwendet wurde. Daher durfte nur der Korrektor diese Massnahme anordnen.
Ein Cicero muss nicht zwangsläufig 12 Punkte haben, wie ein Waisenkind auch nicht immer im Heim leben muss.
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Manutius
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Re: Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von Manutius »

Arran, die Verantwortung für das Buch liegt grundsätzlich beim Verlag, der den Autor unter Vertrag hat, das Buch verkauft und für die Satzherstellung bezahlt. Wenn der Verlag eigenmächtige Eingriffe der Setzer akzeptiert, ist das seine Sache. In der Zeit des Bleisatzes, wo die Tilgung von Hurenkindern einigen Aufwand verursachte, war es natürlich vor allem eine Kostenfrage. Ein lebender Autor bekommt Korrekturabzüge, es liegt an ihm, solche Eingriffe zu akzeptieren oder nicht - mit ihm kann man sich absprechen. Bei philologisch anspruchsvolleren Ausgaben kommen eigenmächtige Änderungen der Setzer jedoch überhaupt nicht in Frage. Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass Philologen jedes Komma bei Goethe untersuchen und dann akzeptieren, dass die Setzer mit dem Text machen, was sie wollen. Ich hatte mal mit Übersetzungen französischer Literatur aus dem 19. Jahrhundert zu tun, wo vom Autor spezielle, sinngliedernde Absatzabstände mit ein oder zwei Leerzeilen vorgegeben waren - es ist völlig ausgeschlossen, da irgendetwas an den Absätzen zu manipulieren. Vergiss es, das geht definitiv nicht. Der Setzer ist für die Form zuständig, nicht für den Inhalt, und von ihm ist zu erwarten, dass er Form professionell meistert. Ansonsten lies z.B. Jan Tschichold, Ausgewählte Aufsätze über Fragen der Gestalt des Buches und der Typographie, 2. Aufl. Basel 1987, S. 155ff. - der "Papst" Tschichold fand interessanterweise einige durchaus unorthodoxe Lösungen von Hurenkindproblemen akzeptabel, nur nicht Textänderungen. Übrigens beklagt Tschichold sich in dem Aufsatz darüber, dass zwar das Verbot von Hurenkindern gelehrt wird, aber zu wenig gelehrt wird, wie man sie mit setzerischen Mitteln vermeidet. Der hätte deinen Lehrern wohl ordentlich die Leviten gelesen.
utnik hat geschrieben:es gibt durchaus buchverlage (im sachbuchbereich), die deine religion nicht teilen und auch mal einen satzspiegel ungefüllt lassen, wenn umschreiben nicht elegant genug möglich ist.
utnik, ich bitte dich, was soll dieser Ton? Ich vertrete hier keine "Religion". Das tun andere: Ich habe schon über so manche Beiträge in diesem Forum und im Vorgängerforum gelacht, wo Teilnehmer mit viel Sendungsbewusstsein und wenig fachlichem Hintergrund einen wahren Kult des Grundlinienrasters propagieren oder mit angelesenem Halbwissen ex cathedra erklären wollen, was "guter Satz" ist. Das ist die Religions-Fraktion, ich habe damit nichts zu tun. Ich sage: Typographie beinhaltet Problemlösungen unter Berücksichtigung bestimmter ästhetischer und funktionaler Leitlinien und Regeln, über deren Umsetzung von Fall zu Fall entschieden werden muss. Dabei gibt es oft Ermessensfragen und manchmal auch unterschiedliche Meinungen. Im Unterschied zu dir versuche ich hier nicht, dem Rest der Welt meinen persönlichen Geschmack mitzuteilen, sondern ich versuche, deutlich zu machen, was für Lösungen für bestimmte Probleme in Frage kommen und üblich sind. Ein brauchbares Programm sollte dafür zweckmäßige Werkzeuge bereitstellen - dem Anwender bleibt überlassen, welche er nutzt. Versucht doch bitte nicht immer, Scribus schönzureden mit Argumenten wie "vertikale Keile brauche ich gar nicht", "ich setze alles auf Grundlinienraster", "Grauflächengestaltung ist mir egal" usw.

Was die Verlage angeht: Kleinere Verlage und auch größere Sach- und Fachbuchverlage leisten sich heutzutage meistens gar keine professionelle Satzherstellung mehr, sondern der Lektor wird als DTPist angelernt, oder den Autoren werden Layoutvorlagen in Word oder LaTeX bereitgestellt (wobei LaTeX natürlich die bessere Wahl ist). Ja, es gibt Verlage, die Bücher mit Word herstellen. Das kann von mir aus jeder Verleger betriebswirtschaftlich für sich entscheiden, aber wollen wir das in einer Diskussion über die Verbesserung von Scribus zur Richtschnur erheben? Sicher nicht. Wenn man Word benutzt - klar, dann wird bei einem Hurenkind einfach die vorige Seite durch Umheben um eine Zeile gekürzt. Das Verfahren, eine Seite um eine Zeile zu kürzen oder zu verlängern (Letzteres geht natürlich nicht mit Word, in Layoutprogrammen müsste man den Textrahmen um eine Zeile vergrößern), kann unter Umständen auch in Betracht gezogen werden, in Amerika scheint es eher üblich zu sein als bei uns, und der berühmte Typographiepapst Tschichold, den ich oben in der Replik auf Arran bereits erwähnt habe, hat das unter bestimmten Bedingungen sogar gutgeheißen (wenn die Seitenränder breit genug sind und die Pagina in der Kopfzeile steht - und natürlich nur dann, wenn man keine Möglichkeit hat, irgendwo durch Veränderung der Wortzwischenräume eine Zeile ein- oder auszubringen). Es ist eine Lösung, die ausnahmsweise und bedingt akzeptiert werden kann, aber es ist zumindest in Europa keine Standardlösung. Standard ist, dass die Seiten gleich große Rechtecke bilden, und Hurenkinder sind genau deshalb unerwünscht, weil sie das Seitenrechteck zerstören. Ein Programm, das von Profis ernst genommen werden möchte, muss Werkzeuge bieten, die Standardlösungen unterstützen - ob diese Standardlösungen deinem persönlichen Geschmack entsprechen oder nicht, interessiert niemanden. Zu diesen Standardlösungen gehört der vertikale Keil: Es gibt auch eine Menge Publikationen, die nicht registerhaltig, sondern mit vertikalem Keil gesetzt werden, und in Verbindung mit dem vertikalen Keil ist natürlich eine Hurenkind-Funktion, die die beiden letzten Zeilen des Absatzes zusammenhält, äußerst hilfreich.

Wenn ich von Professionalität rede, meine ich Folgendes: DTP-Arbeit ist zum größten Teil Dienstleistung. Wenn du Aufträge von Buch- oder Zeitschriftenverlagen ausführst, bekommst du oft genaue Vorgaben vom Kunden. Wenn der Verlag einen vertikalen Keil verlangt und du dann sagst: "Das kann mein Programm nicht, ich arbeite nur mit Grundlinienraster", dann hast du im Handumdrehen einen Kunden weniger, so einfach ist das. Die Kunden, die noch Geld für Satz ausgeben, statt ihren Kram mit Word oder was auch immer selbst zusammenzuschustern, die wollen für ihr Geld dann auch eine vernünftige Qualität. Und jetzt stellt sich die Frage: Was soll Scribus sein? Ein Programm, mit dem man, alternativ zu Word, etwas irgendwie nach eigenem Geschmack zusammenschustern kann, oder ein Programm, mit dem man zumindest dem Prinzip nach mit vertretbarem Aufwand gängigen branchenüblichen Anforderungen gerecht werden kann?

Ich plädiere für das Letztere und versuche hier Überlegungen beizusteuern, wie Scribus dem Standard angenähert werden kann - auch wenn klar ist, dass der Abstand zum Industriestandard InDesign von ein paar ehrenamtlichen Entwicklern nicht im Handumdrehen aufgeholt werden kann und Prioritäten gesetzt werden müssen. Dabei gehe ich nicht von meinem persönlichen Geschmack aus: Ich verwende zum Beispiel gerne Mediävalziffern und hätte insofern gerne OpenType-Unterstützung, die InDesign schon lange hat, aber ich glaube, OpenType hat als avancierte Experten-Funktion für Scribus zunächst einmal keine Priorität. Nach meinem Ermessen wäre es wichtiger, Scribus erst einmal im Hinblick auf die Basisfunktionen der Raumverteilung voranzubringen, weil Raumverteilung das A und O der Typographie ist. Ich versuche, eine rationale (nicht "religiöse") Diskussion über Prioritäten zu führen und Verständnis für systematische Zusammenhänge zu wecken, mit dem Ziel, das Programm Scribus ein bisschen konsistenter und praxistauglicher zu machen - Konsistenz erzielt man nicht durch ein Aufaddieren subjektiver Geschmackspräferenzen, sondern dafür braucht man systematisches Verständnis. Wenn mir dann aber einfach nur solche subjektiven Präferenzen als "Argument" entgegengehalten werden, dann kann ich mir die Mühe wohl sparen.
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Arran
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Re: Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von Arran »

Manutius hat geschrieben:Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass Philologen jedes Komma bei Goethe untersuchen und dann akzeptieren, dass die Setzer mit dem Text machen, was sie wollen.
Und Du glaubst doch wohl nicht, dass «Tüpflischiiser»-Philologen auf die Rasterhaltigkeit absoluten Wert legen?

Ich rede da von Werken, für die Scribus unter normalen Umständen verwendet wird und nicht von hypothetischen Annahmen, was alles sein könnte und sein müsste.

Bitte denke auch daran, dass im Gegenteil zu Goggle, Mozilla, Gimp, LibreOffice, etc Scribus ein ganz kleines Entwicklungsteam hat, das ausschliesslich auf freiwilligen Programmieren basiert, von denen ja wohl alle noch einen Beruf haben, den ihre Familien ernährt. Hast Du denn schon mal eine Spende an diese Entwickler geschickt? Die meisten verwenden diese um sich eine Fahrt und eine billige Unterkunft an einem Meeting leisten zu können. Keiner von denen wird ein zweiter Bill Gates.

Auch bin ich der Ansicht, wenn wir nun im Forum wochenlang über des Kaisers Bart diskutieren und sozusagen noch das Flugpost-Papier zu berücksichtigen versuchen, erschrecken wir Neulinge ganz schnell und schrecken sie ab, sich weiter mit Scribus zu befassen. Ich glaube auch nicht daran, dass der Hauptteil der Benutzer Profis sind.
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Manutius
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Re: Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von Manutius »

Arran hat geschrieben:Und Du glaubst doch wohl nicht, dass «Tüpflischiiser»-Philologen auf die Rasterhaltigkeit absoluten Wert legen?
Es gibt sehr gut gestaltete Ausgaben und auch weniger gute. Für komplexe Ausgaben mit textkritischen Apparaten usw. verwenden viele Betriebe z.B. das überaus mächtige (und entsprechend teure) Programm Arbortext (3B2), das eine Tilgung von Hurenkindern unter Wahrung von Registerhaltung und Satzspiegel sogar weitgehend automatisieren kann, so dass Manipulationen im Text, wie ihr sie früher vorgenommen habt, gar nicht nötig sind. Natürlich war, wie ich schon sagte, im Bleisatz die Tilgung von Hurenkindern eine mitunter recht aufwändige und kostspielige Angelegenheit. Im digitalen Satz haben wir demgegenüber viel bessere Möglichkeiten.
Arran hat geschrieben:Ich rede da von Werken, für die Scribus unter normalen Umständen verwendet wird und nicht von hypothetischen Annahmen, was alles sein könnte und sein müsste.
Ich auch. Ich rede von Funktionen, die z.B. auch Anwendern, die mit Scribus eine Schülerzeitung machen möchten, die Arbeit erleichtern können.
Arran hat geschrieben:Bitte denke auch daran, dass im Gegenteil zu Goggle, Mozilla, Gimp, LibreOffice, etc Scribus ein ganz kleines Entwicklungsteam hat, das ausschliesslich auf freiwilligen Programmieren basiert, von denen ja wohl alle noch einen Beruf haben, den ihre Familien ernährt.
Ich habe immer darauf hingewiesen. Ich habe immer gesagt, dass Scribus aus den von dir zu Recht genannten Gründen nicht mit Produkten von Adobe oder Quark mit all ihren in neuerer Zeit entwickelten Finessen konkurrieren kann. Ich habe immer gesagt, dass man von Scribus nicht Wunder erwarten soll. Ich bin nicht der Meinung, dass man Scribus mit hochkomplexen Expertenfunktionen überladen soll, die sehr hohen Entwicklungsaufwand fordern und für das Gros der Anwender zu unübersichtlich sind. Sondern ich möchte über realistische Prioritäten diskutieren, und ich meine, dass hier die Basisfunktionen zur Raumverteilung, die in DTP-Programmen seit 25 Jahren Standard sind, zu berücksichtigen wären.
Arran hat geschrieben:Keiner von denen wird ein zweiter Bill Gates.
Das hätte uns gerade noch gefehlt ...

Da der gute alte Bleisatz dein ehrwürdiges Metier war, erinnerst du dich doch sicher, wie man in der Bleizeit Zeitungsseiten umbrochen hat: In der Regel hat man zwischen die Absätze Durchschuss gelegt, bis die Höhe passte. Mit dieser Methode war es auch möglich, Hurenkinder auf einfache Weise zu beseitigen, ohne vom Linotypisten in der Maschinensetzerei neue Zeilen anzufordern: durch Umheben und Austreiben.

Diese Methode, Umheben und Austreiben, hat durchaus - bei Werken, die nicht registerhaltig sein müssen - im DTP noch ihren Platz. Dazu muss man zwei Funktionen kombinieren, die QuarkXPress seit 25 Jahren bietet: eine Hurenkind-/Schusterjungen-Klammerfunktion, die zwei (oder mehr) Zeilen am Ende oder Anfang eines Absatzes zusammenhält und eine Zeile umhebt, und einen vertikalen Keil, der den Höhenausgleich vornimmt.

Mein Ausgangspunkt war: In Scribus 1.5 ist eine Option zum Klammern von Hurenkindern/Schusterjungen angelegt, die allerdings im Moment wohl noch nicht funktioniert. Ich habe gesagt: Eine solche Funktion müsste, um wirklich eine effiziente Arbeitserleichterung zu bieten, mit einem vertikalen Keil kombiniert werden. Das könnte auch den Anwendern, die Schülerzeitungen, Vereinsblätter usw. machen und dabei vielleicht nicht immer zwingend an Registerhaltigkeit gebunden sein müssen, große Vorteile bieten.

Denn gerade im mehrspaltigen Satz wäre eine Funktion, die nur eine Zeile umhebt, ohne einen Höhenausgleich vorzunehmen, unzureichend. Denn dass in einem mehrspaltigen Zeitungsartikel die Spalten gleich hoch sein müssen, sollte sich - unter uns - doch wohl von selbst verstehen.

Lieber Kollege, verstehen wir uns jetzt? Ich hoffe es doch sehr ... Ansonsten: Schönes Wochenende!
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Arran
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Re: Hurenkinder/Schusterjungen

Beitrag von Arran »

Nein, lieber Kollege, wir verstehen uns nicht. Ich nehme diese Dinge, wie auch das leben pragmatisch und schwätze nicht endlos um Sachen herum, die zwar wünschbar sind, aber erst dann verwirklicht werden können wenn zuerst mal die wesentlichen Mängel behoben werden. Für mich ist das in Scribus eine akzeptable Tabellenfunktion und für die, die es benötigen, eine brauchbare Fussnoten-Automatik, die gerade für Studenten von grosser Bedeutung ist.

So, das ist wohl mein letzter Kommentar zu diesem Themenkreis.
Gott grüsst die Kunst.
Ein Cicero muss nicht zwangsläufig 12 Punkte haben, wie ein Waisenkind auch nicht immer im Heim leben muss.
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